Buchtipp: Wie verabschieden wir die Heimat in Würde?
Buchtipp: Wie verabschieden wir die Heimat in Würde?
Das Elternhaus. Es ist zu groß geworden für die alten Eltern. Es steht vielleicht sogar weit weg vom Leben, Lieben und Arbeiten der Kinder, die in der Mitte des Lebens genug mit sich selbst zu tun haben – und jetzt doch entscheiden müssen: Was machen wir mit dem Ort unserer Kindheit? Wie verabschieden wir die Heimat in Würde?
Leseprobe: Mir ist kalt. Es ist Ende Oktober, und der Wetterbericht behauptet: zu warm für die Jahreszeit. Wetterbericht können wir aber gar nicht mehr gucken, die Tagesschau auch nicht, der Fernseher ist schon verschenkt ans Flüchtlingsheim. Aber als wir das letzte Mal mit Mutters altem Mercedes zum Haus gefahren sind, haben wir im Autoradio gehört: Es wird 18 Grad warm und sonnig werden an unserem Umzugstag.
»Das ist gut«, sagt meine Mutter, »dann kommen wir morgen gut durch auf der Autobahn und sind vor den Umzugsleuten in Stuttgart.« Aber ist wirklich alles gut? Die Wände hallen, weil alle Teppiche weggepackt sind und nur noch eine eichene Schrankwand steht. Leer steht sie da, wie ein Gerippe. Da, wo Papas Modellautos fünfzig Jahre lang im Regal standen, ist jetzt ein heller Abdruck im Holz.
Mir ist flau im Magen, und mich fröstelt es. Wir sitzen zu zweit auf der Campingmatratze, die uns die Nachbarin geliehen hat für die letzte Nacht im alten Haus.
Meine Mutter springt auf, obwohl sie mit 87 deutlich schlechtere Kniegelenke hat als ich mit meinen 53 Jahren. »Ich mach uns eine Wärmflasche.« Aber das geht ja gar nicht. Der Wasserkocher ist zwar noch da, den schenken wir der …
Neugierig, wie’s weitergeht?
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„Das Haus meiner Eltern hat viele Räume“ von Ursula Ott
ISBN: 978-3-442-77056-4
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